Positionierung des StadtElternRates Halle zum Antrag des Stadtrates Dr. Detlef Wend (Fraktion Volt / MitBürger) und der CDU-Fraktion zur Minderung der Segregationsfolgen an halleschen Grundschulen
Der StadtElternRat begrüßt, dass die Schwierigkeiten an Schulen mit einem erhöhten Anteil von Lernenden mit Migrationshintergrund nun auch zum Thema im Stadtrat werden.
Den Antrag des Stadtrates Dr. Detlef Wend (Fraktion Volt / MitBürger) und der CDU-Fraktion sehen wir als höchst kritisch und lehnen ihn in dieser Form (Zielstellung) ab. Die verfehlte Quartiers- und Integrationspolitik auf dem Rücken der Kinder lösen zu wollen, halten wir für den falschen Ansatz.
Nachfolgende Punkte sehen wir in diesem Zusammenhang besonders problematisch.
Der StadtElternRat weist darauf hin:
Bei einer Umsetzung in der Form, werden Eltern dann argumentieren, dass durch die Zuweisung einiger Lernenden in andere Einzugsgebiete Präzedenzfälle geschaffen werden, die auch ihnen das Recht auf freie Schulwahl einräumen. Eine derartige Regelung untergräbt sehr schnell die Schuleinzugsgebietsregelung. Sie eröffnet darüber hinaus die Möglichkeit, mit seinem Kind eine Schule außerhalb des regulären Einzugsgebietes zu wählen, um die „Brennpunktschule“ in Richtung einer vermeintlich besseren Schule zu verlassen (siehe Konflikt GS Kröllwitz vs. GS-Heiderand).
Die Abkehr von dem Prinzip »kurze Beine – kurze Wege« bedeutet, dass die schuleinzugsgebietsfremden Grundschüler auf den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) angewiesen sind, um zur Schule zu gelangen. Dies führt zu einer veränderten Verantwortung für die Eltern, die sich nun vermehrt Gedanken darüber machen müssen, ob sie unter Umständen ihre Aufsichtspflicht verletzen, wenn sie ihre Kinder allein den Schulweg mit dem ÖPNV antreten lassen. Wollen sie dieses nicht, entstehen Kosten für die Schulwegbegleitung, die nach § 71 Abs. 6 SchulG LSA vom Träger zu übernehmen sind, oder er muss Schulwegbegleiter einsetzen, um die Sicherheit der Kinder im ÖPNV zu gewährleisten. Zudem stellt sich die Frage nach dem Versicherungsträger, ob er unter diesen Umständen noch bereit ist, das Risiko abzusichern. Die Erhöhung der 2-km-Grenze würde den Anspruch auf ein Kostenübernahme/Schülerticket wiederum einschränken.
Hinzu kommt der Anstieg der Elterntaxis, aufgrund der Zuweisung von Kindern aus fremden Schuleinzugsgebieten an die Grundschule. Diese Situation führt zu noch mehr Verkehrschaos und Sicherheitsproblemen vor den Schulen. Denn der Schulweg ist für Kinder in der Altersgruppe nicht angemessen und sicher zu bewältigend.
Negativbeispiel für eine krachend gescheiterte Verteilung von Lernenden ist der gemeinsame Unterricht (GU) für Schülerinnen und Schüler mit und ohne Förderbedarf in Sachsen-Anhalt. Dieser ist gleich aus mehreren Gründen gescheitert. Ein wesentlicher Faktor war der Mangel an spezialisierten Lehrkräften und unterstützendem Personal, wodurch die individuellen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler nicht ausreichend berücksichtigt werden konnten. Hinzu kam, dass viele Lehrkräfte sich unzureichend auf den gemeinsamen Unterricht vorbereitet fühlten, da es häufig an spezifischer Fortbildung zur Inklusion mangelte. Die zusätzlichen Anforderungen des gemeinsamen Unterrichts führten außerdem zu einer höheren Arbeitsbelastung und Stress für die Lehrkräfte, was sich negativ auf die Unterrichtsqualität auswirkte. Zudem war die Infrastruktur vieler Schulen nicht ausreichend ausgestattet, um den Bedürfnissen von Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf gerecht zu werden, was unter anderem barrierefreie Zugänge und spezielle Lernmaterialien betrifft. Ein weiterer entscheidender Punkt war die stetige Reduzierung der Stunden für den GU-Unterricht, wodurch die Qualität und Kontinuität des Unterrichts zusätzlich beeinträchtigt wurden. Unter diesen Umständen gab es folglich auch Vorbehalte seitens der Eltern, Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler, dass der gemeinsame Unterricht nicht erfolgreich absolviert werden kann.
In Sachsen-Anhalt sehen wir derzeit ähnliche Bedingungen an den Schulen. In Bezug auf eine Beschulung von Kindern mit migrationsbedingten Barrieren im regulären Unterricht wird dieser nicht verfassungsgemäß ermöglicht.
Zitat (Artikel 25 Abs. 1 Verf ST):
Jeder junge Mensch hat ohne Rücksicht auf seine Herkunft und wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seine Begabung und seine Fähigkeiten fördernde Erziehung und Ausbildung.
Was spricht für den Verbleib an der Grundschule im Einzugsgebiet?
Der StadtElternRat empfiehlt:
Als Erstes sehen wir die Vorortsituation als eine Change, die es ermöglicht, mit einem angepassten Schulkonzept auf die Gesamtsituation zu reagieren, welches umfassend auf die Bedarfe der Schülerschaft ausgerichtet ist. Gerade unter dem Aspekt des enormen Personalmangels ist ein Standort, an dem die Bündelung von Personen in multiprofessionellen Teams erfolgt, der ausschlaggebende Mehrwert.
Die Schuleingangsphase nutzen, um im ersten Jahr mit einem Deutschintensivjahr die sprachliche Basis zu schaffen, um dann in den regulären Unterricht einzusteigen. Dieses wird durch multiprofessionelle Teams unterstützt, die Fachkräfte aus den Bereichen Schulsozialarbeit, Integrationshilfe, DAZ-Lehrkräfte sowie Quereinsteiger und ehrenamtliche Unterstützer mit Migrationshintergrund (LAMSA, SiSA, iNEMSA) umfassen. Im Ganztagsangebot zusätzlich Sprach-AGs für Schülerinnen und Schüler und deren Familien zur gesellschaftlichen Integration, um Isolation und Parallelgesellschaften zu verhindern. Aber auch weitere AGS, die mit Unterstützungsangeboten (Alltags-/Behördenhilfen) aufwarten oder Kultur-AGs, die das Verständnis und die Akzeptanz für die Existenz verschiedener Kulturen fördern, können ein Mittel für gelingende Integration im Quartier sein. So wird die eigene Kultur als Bereicherung der Gesellschaft wahrgenommen. Von einem Deutschintensivjahr dürften auch die Schülerinnen und Schüler ohne migrationsbedingte Sprachbarriere profitieren. Denn die Defizite in der deutschen Sprache von Muttersprachlern, durch die verstärkte Heterogenität der Schülerinnen und Schüler, spiegeln sich in den PISA-Studien der letzten Jahre deutlich wider.
Die aufgeführten Vorschläge bedürfen keiner gesetzlichen Änderungen. Es setzt aber voraus, dass die notwendigen Mittel und Ressourcen bereitgestellt werden, um die Schulkonzepte umzusetzen.
In dem Artikel vom 29. Januar 2025 mit dem Titel „OB-Kandidaten Andreas Wels und Alexander Vogt antworten noch dem StadtElternRat“ auf Du bist Halle, wird der Eindruck erweckt, dass beide OB-Kandidaten aufgrund der Vielzahl an Anfragen und ihrer beruflichen Verpflichtungen verspätet auf die Fragen des StadtElternRates reagiert haben.
Der im Artikel dargestellte Sachverhalt entspricht jedoch, insbesondere im Fall von Herrn Dr. Alexander Vogt, nicht der Wahrheit. Denn bis zur Veröffentlichung der Pressemitteilung waren die Fragen des StadtElternRates Herrn Vogt, laut seiner Aussage, nicht bekannt und infolgedessen nicht in der Bearbeitung.
Nach der Veröffentlichung der Pressemitteilung des StadtElternRates auf „Du bist Halle“ am 27. Januar 2025 kontaktierte Herr Vogt um 14:57 Uhr erstmals telefonisch den StadtElternRat. In diesem und weiteren Gesprächen stellte er klar, dass er keinen Fragenkatalog erhalten hätte. Ihm wurde daraufhin mitgeteilt, dass dies nicht korrekt sei, da der Vorsitzende des StadtElternRates am 19. Dezember 2024 im Wahlforum den Fragenkatalog persönlich an die anwesenden Kandidaten, einschließlich Herrn Vogt, übergeben hatte (siehe Berichterstattung vom 20.12.2024 auf Du bist Halle in dem Artikel „So lief das erste Wahlforum der OB-Kandidaten: wer hat am besten performt? Wer steht wofür?“). Herr Vogt äußerte, dass die Fragen dann möglicherweise verloren gegangen seien, als er sie an seinen Mitarbeiter weiterleitete. Er versprach dem Vorsitzenden Zitat: Sie erhalten noch heute die Antworten, mein Mitarbeiter setzt sich sofort an die Beantwortung der Fragen. In einem späteren Telefonat um 15:20 Uhr bat Herr Vogt um Verständnis, dass die Antworten erst am folgenden Tag, dem 29. Januar 2025, übermittelt werden könnten. Die E-Mail mit den Antworten erreichte den StadtElternRat am 29. Januar 2025 um 12:46 Uhr und wurde umgehend auf der Homepage des StadtElternRates veröffentlicht.
Der StadtElternRat entschied sich bewusst gegen eine Frist für die Abgabe der Antworten, da die Erfahrungen aus den vergangenen Wahlen gezeigt haben, dass die Kandidaten mit einem erheblichen Aufkommen an Anfragen und Veranstaltungen konfrontiert sind. Es ist jedoch offensichtlich, dass sechs Tage vor der Wahl kaum noch mit weiteren Eingängen zu rechnen ist. Zudem ist es fraglich, inwieweit Antworten, die nach diesem Zeitpunkt eingehen, die Adressaten, sprich die Elternschaft, noch erreichen.
Es sollte ebenfalls berücksichtigt werden, dass die beiden Kandidaten, insbesondere Herr Wels, wie auch Frau Godenrath und Herr Geier, als Kandidaten einer Partei ihre Unterstützung genießen. Bei Herrn Vogt steht zudem ein Beraterteam zur Verfügung, das einen Teil der Aufgaben übernimmt. Daher ist der Hinweis, Zitat: „Wir beide nicht nur Bewerber um das Amt des Oberbürgermeisters sind, sondern vor allem hauptamtlich tätige Lehrer, die sich darüber hinaus ehrenamtlich im halleschen Stadtrat engagieren“, differenziert zu betrachten.
Thomas Senger
Vorsitzender des StadtElternRates der Stadt Halle
Bildung ist kein Thema?
Es ist erstaunlich und besorgniserregend zugleich, dass von den neun Oberbürgermeister-Kandidaten nur zwei die Fragen des StadtElternRates beantwortet haben. Hier darf man sich fragen, wie wichtig das Thema Bildung für die Kandidaten tatsächlich ist. Dies könnte darauf hindeuten, dass in ihren Wahlprogrammen Bildung möglicherweise nicht die Priorität hat, die sie haben sollte. Besonders bemerkenswert ist, dass zwei der Kandidaten selbst als Lehrer berufstätig sind und dennoch keine Antworten geliefert haben.
Die Fragen des StadtElternRates sind von großer Bedeutung, da sie die Anliegen und Bedürfnisse der Eltern und Schüler widerspiegeln. Das Nichtbeantworten dieser Fragen könnte Zeichen dafür sein, dass die Kandidaten die Sorgen und Wünsche der Eltern nicht ernst nehmen. Dies ist besonders alarmierend, da Bildung ein zentrales Thema für die Zukunft unserer Kinder und unserer Gesellschaft insgesamt ist.
Es stellt sich die Frage, warum die Kandidaten, insbesondere die Lehrer unter ihnen, nicht auf die Fragen eingegangen sind. Möglicherweise fehlt es an konkreten Konzepten oder Ideen, wie die Bildung in unserer Stadt verbessert werden kann. Oder vielleicht sehen sie andere Themen als wichtiger an und haben daher die Fragen des StadtElternRates vernachlässigt. Es kann jedoch nicht an einem zu hohen Arbeitsaufkommen liegen, da auch anderen Fragen stellenden Organisationen dieselbe Erfahrung machen mussten, wie der Presse zu entnehmen ist. Gleiches gilt auch für Podiumsdiskussionen, in denen die OB-Kandidaten eher durch Abwesenheit als durch innovative Pläne für die Zukunft der Stadt auffallen.
Obwohl die Fragen eine Vielzahl von Themen umfassten, wie Schulbau, Digitalisierung, soziale Teilhabe, Berufsvorbereitung, Mobilität, Mitbestimmung, Schulsozialarbeit und zur aktuellen Schulgesetznovelle, ist es umso bedenklicher, dass hierzu keine Stellung bezogen wurde.
Eltern sollten sich fragen, welche Prioritäten die Kandidaten setzen und wie wichtig ihnen die Bildung unserer Kinder ist. Es ist entscheidend, dass die zukünftigen Oberbürgermeister die Bedeutung der Bildung und der Mitbestimmung der Eltern erkennen und bereit sind, sich aktiv für Verbesserungen in diesem Bereich einzusetzen. Nur so kann sichergestellt werden, dass unsere Kinder die bestmögliche Bildung erhalten und gut auf ihre Zukunft vorbereitet sind.
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